Über das Brauchtum und die Herkunft des Maibaumaufstellens wurde viel geforscht. Bislang konnte allerdings noch kein Historiker die genauen Ursprünge ermitteln. In großen Städten, in denen es schriftliche Nachweise geben könnte, wurde der Brauch kaum durchgeführt, und auf den Dörfern gab es keine Historiker, die an Aufzeichnungen über für die ländliche Gegend üblichen Feste interessiert gewesen wären. Heidnische Fruchtbarkeits-Bräuche mit dem Baum als Phallus-Symbol sind ebenso häufig angeführt worden wie Dorffeste, die zur Heiratsvermittlung zwischen den jungen Leuten des Ortes abgehalten wurden. Letzteres ist heute noch in gewisser Weise üblich. Männliche wie weibliche Singles verteilen in manchen Gegenden kleine geschmückte Maibäume oder bringen am Haus der/des Angebeteten einen mit buntem Papier verzierten Baum an.
Die katholische Kirche verbot im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mal das Aufstellen eines Maibaums, einerseits wohl um vorsichtshalber eventuell ausufernde Feste zu verhindern und andererseits ein Gedenken an heidnische Fruchtbarkeitsriten von vornherein zu unterbinden. In der Zeit der Romantik im 19. Jahrhundert sah man den Maibaum in verklärter Weise als Symbol für reiche Ernten und Fruchtbarkeit, was jedoch historisch nie belegt werden konnte.
Ein Brauch in vielen Gegenden
Der 1. Mai ist fast weltweit ein Feiertag, heutzutage wird er zumeist gesetzlich als Tag der Arbeit begangen. Der arbeitsfreie Tag wird dann vielerorts gerne genutzt, eine Maifeier abzuhalten. In vielen Ländern Europas kennt man den Brauch, einen verzierten Baum aufzustellen. Egal ob in Skandinavien (dort eher um die Mittsommernacht) oder in Deutschland, Österreich oder der Schweiz - immer ist das Aufrichten des Fichten- oder Birkenstamms mit einem Fest verbunden, an dem das gesamte Dorf
Der Schmuck
Traditionell wird ein Maibaum am Tag vorher oder direkt am 1. Mai aufgestellt. Der Schmuck des Baumes symbolisiert gleichzeitig den Reichtum des jeweiligen Ortes und durch seinen grünen Gipfel und die gewundenen Kränze steht er für die Fruchtbarkeit und das Wachstum von Flora und Fauna, was besonders in landwirtschaftlich geprägten Gegenden wichtig ist. Hier besteht dann doch noch ein Bezug auf alte heidnische Bräuche - man erhoffte sich Schutz vor jeglichem Unheil, sei es in Form von Unwettern oder von Schädlingen.
Obwohl die mittelalterlichen Zünfte nicht mehr existieren, leben sie dennoch in den Tafeln fort, die fast immer rechts und links an den häufig blau-weiß oder rot-weiß gewendelten Fichtenstämmen befestigt sind. Je reicher ein Dorf war, umso prächtiger waren die Wappen und Zeichen der Zünfte gestaltet. Zuerst nur aus Holz geschnitzt und bunt bemalt, ging man später dazu über, metallene Schilder am Stamm anzubringen, da diese auch haltbarer waren.
Rund um das Aufstellen des Baumes
Hier sind die Traditionen besonders festgelegt, gehen sie doch an die Ehre der Burschen, die im Normalfall für das Schlagen, Transportieren, Bewachen und Aufstellen des Baumes zuständig sind. Seit einigen Jahren gibt es auch Frauengruppen, die in diese Männerdomäne eindringen, was von vielen Herren strikt abgelehnt wird. Die Genderdebatte macht auch und gerade vor solchen Traditionsveranstaltungen keinen Halt mehr. Zunächst wird ein Baum Tage vor dem Fest aus einem umliegenden Wald ausgesucht, dort geschlagen und meist unter musikalischer Begleitung in den Ort verbracht. Die Dorfjugend, die für das Fest verantwortlich zeichnet, schmückt den Baum mit Kränzen, um die grüne Girlanden und bunte Bänder gewunden werden. Die traditionellen Zunft- und Handwerkszeichen werden angebracht. Mancherorts wird der Maibaum mit einer blau-weißen oder rot-weißen Wendelung bemalt. Diese verläuft von unten links nach oben rechts. Die blau-weiße Farbe erinnert an die bayerische Fahne, rot-weiß an den Frankenrechen.
Vorsicht vor Dieben
Bis zum eigentlichen Fest muss der geschmückte Baum aufmerksam bewacht werden. Burschenvereine oder andere Gruppierungen aus den Nachbargemeinden versuchen, das gute Stück zu stehlen und geben es nur wieder heraus, wenn eine angemessene Auslöse bezahlt wird. Meistens geht es hier um Bier und eine gute Brotzeit. Die Regeln des Maibaumstehlens sind zwar nur mündlich überliefert, ihre Einhaltung ist trotzdem Ehrensache. Nur bereits gefällte Bäume dürfen gestohlen werden, und diese auch nur aus dem Dorf, nicht schon im Wald. Werden die Diebe erwischt, dürfen Sie weder Gewalt anwenden noch den Baum zersägen oder sonstwie beschädigen. Nach der Auslöse muss er unbeschadet zurückgebracht werden. Einmal aufgestellt ist der Baum für Diebe tabu.
Muskelkraft ist gefragt
Die jungen Männer - und zunehmend auch Frauen - oder Feuerwehrler möchten die Traditionen natürlich möglichst unverfälscht aufrecht erhalten und den Maibaum mit reiner Muskelkraft errichten. Mit Stangenpaaren aus Holz, sogenannten Schwaiberln oder Schar-/Scherstangen hieven sie den Baum in die Vertikale und fixieren ihn in einer vorbereiteten Vertiefung auf dem Dorf- oder Marktplatz. Sicherheitshalber verwenden viele Vereine schon Kräne zum Absichern der schweren Holzstämme und bereiten die Löcher mit Betoneinfassungen vor.
Gesetzesvorgaben als Traditionskiller?
Die Handarbeit beim Aufrichten der Maibäume birgt trotz Unterstützung durch Maschinen erhöhte Unfallgefahr. Für die Veranstalter wird es deshalb zunehmend schwieriger, eine Versicherung zu finden, die eventuelle Sach- oder Personenschäden abdeckt. Die Gemeinden wollen ebenfalls nicht in die Verantwortung genommen werden. Deshalb fallen immer mehr der traditionellen Maifeste den nicht oder nur schwer erfüllbaren gesetzlichen Vorgaben zum Opfer. Baumhöhen von über 50 Metern tun ihr Übriges, Versicherungen und Behörden abzuschrecken.
Kleinere Bäume als Alternative werden von den Vereinen als lächerlich abgelehnt, und nicht einmal die zunehmende Unterstützung durch Gabelstapler, Kräne oder LKWs besänftigen die Versicherungsvertreter. Es wäre schade, wenn die Maifeste mit ihren überlieferten Bräuchen deshalb aussterben würden.
Alte Tradition neu belebt
Aber es gibt Hoffnung, dass die alten Bräuche sich auch in die moderne Zeit herüber retten lassen. In München gestalten soziale und kulturelle Einrichtungen einen rosa Maibaum. Er symbolisiert die Vielfalt des Glockenbach-Stadtbezirks und wird ebenso durch ein jährliches Fest gefeiert, bei dem traditionell Musik gemacht wird und das gesamte Viertel zusammenkommt. Die Maibaumtafeln werden von einem Künstler erstellt. Auch der Bayerische Landesverein für Heimatpflege sieht diese neue Art des Maibaumbrauchtums positiv. Man kann nur hoffen, dass sich ein Lösung in Bezug auf die versicherungstechnischen Probleme findet, die den alten Traditionen noch genügend Raum zur Entfaltung lässt.