Das Immaterielle Kulturerbe: Ein Erbe der Identität und Vielfalt
Das Konzept des immateriellen Kulturerbes der UNESCO erstreckt sich über alle Ecken der Welt und soll Aufmerksamkeit wecken für kulturelle Ausdrucksformen, die unmittelbar von menschlichem Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen und verändert werden. Diese Formen des Ausdrucks erstrecken sich über Musik und darstellende Kunst ebenso wie über Bräuche, Feste, Handwerkstechniken, Überlieferungen, den gesamten Menschen und die Natur sowie Modellprogramme für deren Erhaltung. Es ist ein Vermächtnis, das von Generation zu Generation weitergegeben wird und die Identität einer Region oder eines Landes prägt. Das seit 2013 bestehende bundesweite Verzeichnis wird in einem mehrstufigen Verfahren von mehreren staatlichen Stellen und der Deutschen UNESCO-Kommission ständig aktualisiert und zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden. Momentan findet man 150 Beiträge, davon 134 Kulturformen und 16 Modellprogramme zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Dieses steht gleichberechtigt neben den bekannteren Welterbe-Stätten der UNESCO. Schon diese Tatsache weist darauf hin, dass die Bewerbung nicht mal so schnell zwischendurch abgewickelt werden kann. Ein 17-seitiges Formular gab einen Rahmen vor, welche Aspekte genau dargestellt werden mussten.
Das Bewerbungsverfahren
Zunächst galt es, die Kulturform an sich sowohl geographisch (Bayern, Deutschland, Europa, weltweit) als auch von der Art her (traditionelles Handwerk) einzuordnen. Die einleitende Kurzbeschreibung sollte auf die „gegenwärtige Praxis, das spezifische Wissen und Können, die nachweisbare Präsenz seit mehreren Generationen sowie auf Aktivitäten zur Erhaltung und Weitergabe an künftige Generationen eingehen“. Anschließend musste ein Bezug zur heutigen Praxis und Anwendung als lebendige Kulturform hergestellt werden. Welche Bedeutung hat sie für die betreffenden Gemeinschaften, wo liegt die Motivation ihrer Ausführung, Techniken und Regeln? Wichtig war für die Entscheidungsträger vor allem auch das Hervorheben ihres identitätsstiftenden Charakters.
Detailliertes Wissen war in den nächsten Punkten verlangt. Welches spezifische Können wird auf welche Art und Weise an die künftigen Generation weitergegeben? Hier konnte man Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen beschreiben. Umfangreiche Recherche war auch bei den nächsten Fragen nötig, ging es doch um die Geschichte der Fahnenstickerei, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert hat und sich derzeit dynamisch weiterentwickelt. Das Kulturerbe muss dabei über die Generationen hinweg sowohl Kontinuität als auch Wandel vermitteln. Die Kommission legt starken Wert auf eine kritisch-reflektierende Sicht auf die Geschichte der Kulturform, besonders im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzung und der DDR-Zeit. Nicht zu vergessen waren auch eventuelle Bezüge zu Kolonialismus oder gesellschaftliche Debatten um die Ausübung der Stickerei.
Das Ganze sollte in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gesetzt werden, indem die Wirkung der Kulturform außerhalb ihrer Gemeinschaft beschrieben werden sollte – sei es, was Aktivitäten des Kunstschaffens und der Populärkultur betrifft oder auch, welchen Beitrag die Fahnenstickerei zur sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit leistet – sowohl innerhalb Deutschlands als auch in Bezug auf ganz Europa.
Schließlich ging es noch um die Eingebundenheit der Fahnenstickerei in gesellschaftliche Gruppen oder Einzelpersonen – wie sieht es mit benachteiligten Personengruppen aus? Welchen Zugang haben diese zur Kulturform? In einem Ausblick auf die Zukunft geht es um Risikofaktoren, die ihre Weitergabe, Praxis und Anwendung gefährden sowie um geplante Maßnahmen, die der Erhaltung, Bewusstseinsbildung, Dokumentation, Erforschung und Aufwertung der Kulturform dienen könnten.
Fahnen Kössinger ist es offenbar gelungen, all diese Punkte so mit Inhalt zu füllen, dass sie den Kriterien für die Anerkennung der Fahnenstickerei als immaterielles Kulturerbe gerecht wurden.
In Bayern ist die Auswahlkommission im Staatsministerium für Finanzen und Heimat angesiedelt. Die Auszeichnung beinhaltet keine finanzielle Förderung. Der Prozess der Anerkennung als immaterielles Kulturerbe ist allerdings ein bedeutsamer Schritt zur Wertschätzung und Bewahrung aller oben genannten kulturellen Ausdrucksformen. Gemeinschaften, Gruppen oder Individuen können Anträge stellen, um diese nicht in Zahlen auszudrückenden Schätze offiziell anerkennen zu lassen. Wie man sieht, erfordert es gründliche Forschung, Dokumentation und Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften, um die Authentizität und Repräsentanz der kulturellen Praktiken festzustellen.
Die Bedeutung der Anerkennung des immateriellen Kulturerbes reicht weit über symbolische Gesten hinaus. Sie trägt zur Bewahrung und Weitergabe dieser Traditionen bei, indem sie öffentliches Bewusstsein schafft und Maßnahmen zur Erhaltung unterstützt. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Fahnenstickerei, ein traditionelles Handwerk, das seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die offizielle Anerkennung der Fahnenstickerei als immaterielles Kulturerbe ist ein wichtiger Schritt zur Bewahrung ihrer Einzigartigkeit und Bedeutung für diese handwerkliche Kulturform.
Insgesamt spielt das immaterielle Kulturerbe eine grundlegende Rolle bei der Bewahrung und Förderung der kulturellen Vielfalt und Identität eines Landes. Durch die Anerkennung und den Schutz dieser Traditionen können wir sicherstellen, dass sie auch zukünftigen Generationen erhalten bleiben und das kulturelle Erbe eines Landes weiterhin bereichern.